Ilona Ruegg umkreist in ihrer Arbeit Phänomene wie zeitliche Prozesse und Raumerfahrungen. Untersuchte sie zu Beginn ihrer Laufbahn die Form, die Stofflichkeit von Farbe und den Bildraum mittels Malerei, wandte sie sich Mitte der 1990er-Jahre plastischen und installativen Arbeiten, prozessbasierten Projekten und Fotoserien zu.
Projezione (1985) und Simultan (1985/1986), die zu drei Abfolgen einer ein-, vier- und achtteiligen Reihe in Rueggs Frühwerk gehören, sind in Rom während ihres Atelierstipendiums am Schweizer Institut entstanden, als ihr Fokus auf Wahrnehmungskonzepten im kunsthistorischen Kontext lag. Projezione zeigt ein Landschaftsbild in der klassischen Überblicksperspektive und handelt davon, wie sich der Betrachter der Landschaft perspektivisch bemächtigt. Simultan dagegen fragmentiert die Landschaft und versetzt sie in eine grosse Drehung, wodurch sich ein Eindruck der Gesamtheit nur über die Gleichzeitigkeit ihrer Einzelteile gewinnen lässt. An die Stelle des perspektivischen Blicks tritt ein Durchdringen des Motivs. Diese früh entstandenen Bilder deuten bereits ein künstlerisches Ringen an, das sich um Fragen der Wahrnehmung innerhalb einer Zeitachse dreht und darum, wie zeitliche Abläufe neu gegliedert werden können. Rueggs Werk ist inspiriert von Michel Foucaults Konzept der Gleichzeitigkeit und seinen Überlegungen zum Raum, die er 1967 in dem Essay «Von anderen Räumen» veröffentlichte. Gemäss Foucault leben wir in einem Zeitalter des Raumes – und nicht mehr, wie im 19. Jahrhundert, in einer Epoche, die durch eine zeitliche Entwicklung geprägt war; einem Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Aneinanderreihens, des Nahen und des Fernen, des Nebeneinanders und des Zerstreuten. Rueggs Werk ist auch der Versuch, zeitliche Strukturen in eine Gleichzeitigkeit zu überführen und Korrespondenzen und Bezüge zwischen den Elementen zu schaffen.
Nach Jahren in Frankfurt, Brüssel, Turin und Rom zog Ruegg 2012 wieder in die Schweiz. Sie wurde in den Jahren 1985, 1986, 1987 mit dem Eidgenössischen Kunststipendium und 2001 mit dem Prix Meret Oppenheim ausgezeichnet. 2013 erhielt sie den Anerkennungspreis der Kulturstiftung UBS Schweiz und 2014 Werkbeiträge unter anderem des Kulturfonds des Bundesamts für Kultur und der Steo Stiftung.
Ilona Ruegg, 1949 in Rapperswil (CHE) geboren, lebt in Zürich (CHE).
Tätigkeitsbereiche: Malerei, Zeichnung, Fotografie, Installationen, Aktionskunst, Kunst im öffentlichen Raum