Konkrete Kunst ist kein Abbild der Natur, sie ist vielmehr eine bildnerische Konstruktion parallel zur Natur. Mittels geometrischer Formen und Linien sowie der intensiven Wirkung der Farben entsteht eine Bildwelt, die - um nur wenige Begriffe zu nennen - spannungsvolle Energie, rhythmische Bewegung oder harmonische Geschlossenheit ausstrahlt. Die konkrete Kunst versteht sich als demokratische Kunst, da Ihre Konstruktion nachvollziehbar ist und sie nichts anderes sein will, als sie darstellt. Keine andere Grundströmung in der Kunst des 20, Jahrhunderts strahlte daher in so viele gestalterische Lebensbereiche aus wie die konkrete Kunst.
Camille Graeser gehörte zusammen mit Max Bill, Richard Paul Lohse und Verena Loewensberg zu den wichtigsten Persönlichkeiten, die die konkrete Kunst in der Schweiz vertraten, Im Gegensatz zu den Wortführern Bill und Lohse trug er die Überzeugung von der Wirkungskraft konkreten Gestaltens jedoch im Stillen mit. Nach einem Innenarchitekturstudium in Stuttgart und der Eröffnung eines eigenen Ateliers für Grafik und Produktedesign wandte er sich in den 30er Jahren - nach dem politisch bedingten Umzug nach Zürich - endgültig der Kunst zu. Parallel zu den anderen konkreten Kunstschaffenden entwickelte er sein eigenständiges Werk. Ausgedrückt in seinen 1944 verfassten Worten handelt dieses «vom Spiel mit Mass und Wert von Farbe, Form und Linie»; es ist «der sichtbar gestaltete malerische Klang, ähnlich der Musik» und bedeutet «Reinheit, Gesetz und Ordnung»(Koella 1992, S, 7). Vier Farben / Gleiche Quanten, gehört zu einer Reihe von Gemälden, die Graeser als Relationen bezeichnet. In dieser Werkgruppe reduzierte er die Bildkonstruktionen auf übereinandergeschichtete Farbstreifen und zu diesen in Relation stehenden Quadraten. In Vier Farben / Gleiche Quanten geht die Reduktion so weit, dass das Gemälde nur noch aus vier proportional aufeinander abgestimmten Farbstreifen besteht. Der progressiven Flächenhalbierung in der Horizontalen wird die Aufteilung in die elementaren Farben Schwarz/Weiss und die Komplementärfarben Rot/Grün gegenübergestellt. Wie im Titel präzis formuliert, kommen die einzelnen Farben insgesamt in denselben Quantitäten vor. Die Einfachheit der Mittel und die Kombination der Farben wirken suggestiv und verführen zum «Innehalten an einer unsichtbaren Grenze».
(Quelle: Katalog ‚Innovation und Tradition‘, Bern 2001)
Camille Graeser wurde 1892 in Carouge (CHE) geboren und starb 1980 in Wald (CHE).
Tätigkeitsbereiche: Innenarchitektur, Malerei, Plastik, Grafiker, Produktgestaltung