Die Bilder von Rémy Zaugg konfrontieren uns mit existenziellen Themen: So spielen Sehen und Blindheit eine zentrale Rolle – und die Frage: Wie funktioniert Wahrnehmung? Wie machen wir uns ein Bild von der Welt? Zaugg brachte die Wechselwirkungen zwischen Blick und Bewusstsein, Bild und Sprache so reflektiert und überzeugend auf den Punkt, dass man ihn einen Philosophen-Künstler genannt hat.
Zauggs Recherche zum Thema Wahrnehmung begann in den frühen 1960er-Jahren mit einem Schlüsselerlebnis: Als Kunststudent befasste er sich intensiv mit einem Bild des Malers Paul Cézanne, Das Haus des Gehängten von 1873. Es zeigt ein in ein bäuerliches Dorf eingebettetes Gebäude. Das Motiv ist schlicht, die Komposition aber äusserst komplex. Zaugg bemerkte, dass er sie immer wieder anders, immer wieder neu wahrnahm. Diese Veränderung musste, bei aller Vielschichtigkeit des Gemäldes, in ihm selbst, dem Betrachter, vor sich gehen. So gesehen, erscheint das Bild wie ein Spiegel: Es sieht nicht, reflektiert aber unseren Blick und wird auf diese Weise zum Gegenüber in einer gedanklichen Reflexion.
In den 1970er-Jahren entstanden Zauggs erste Wortbilder, ab den 1990er-Jahren dann die grosse Werkgruppe Über die Blindheit, in der uns manche Werke auffordern: Look, I am Blind, Look – und dies in so grellen Farben, dass die Betrachtung geradezu schmerzhaft ist. An die Grenzen unserer Wahrnehmung führen uns auch die beiden Serigrafien in der Sammlung der Mobiliar. Zaugg hat diese Überreizung des Sehsinns immer wieder bewusst provoziert. «Die Art Schmerz, die ich beim Betrachten des Bildes empfinde, vergegenwärtigt die Tatsache, dass ich es betrachte.»
Zauggs Œuvre formuliert die Einsicht, dass Kunst erst Sinn konstituiert, wenn wir den Dialog mit ihr beginnen: Unsere Wahrnehmung formt das Bild, das umgekehrt unser Bild von der Welt formt. Sinnliche Wahrnehmung und analytisches Denken fliessen in Zauggs Arbeiten unmittelbar zusammen, weshalb er zu den bedeutendsten Schrift- und Konzeptkünstlern der Gegenwart zählt. Darüber hinaus war er ein angesehener Ausstellungsmacher und Verfasser kunsttheoretischer Texte.
Rémy Zaugg wurde 1943 in Courgenay (CHE) geboren. Er starb 2005 in Arlesheim (CHE).
Tätigkeitsbereiche: Malerei, Serigrafie, Zeichnung, Installation, Architekturprojekte (mit Herzog & de Meuron)