«Silberfunken - Extase Zürich wird bei Nacht erst schön.» Otto Morach, 1922 - Hinter dem Bildtitel verbirgt sich alles andere als eine exakte Bauaufnahme im Sinne der traditionellen Stadtvedute. Wie ein weiss schimmernder Kristall ragt das Grossmünster in den blauen Nachthimmel und scheint mit seinen Turmhauben beinahe die Sterne zu berühren. Die ganze Umgebung ist in fahles Mondlicht getaucht, wird von ihm gleichsam verzaubert und in eine höhere Sphäre entrückt. Der Verweis auf eine übergeordnete Wirklichkeit äussert sich aber nicht nur in der verfremdeten Farbgebung, auch die kosmischen Erscheinungen am nächtlichen Firmament, angedeutet durch konzentrische Farbkreise, und der himmelwärts strebende Sakralbau sind als Zeichen mystischer Verklärung zu deuten.
Das dem Zeitgeist entsprechende Thema der alles überragenden Kathedrale, die zum Sinnbild und Hoffnungsträger einer fortschrittsgläubigen, aber vom 1. Weltkrieg desillusionierten Gesellschaft wird, taucht bei Otto Morach nicht zufällig auf. Beeindruckt von den Schriften des deutschen Architekten Bruno Taut (1880-1938), der die Kathedrale über der Stadt als Gesamtkunstwerk und Symbol der geistig-religiösen Erneuerung sah, entwickelte er seine eigene Vision um das vielzitierte Bildmotiv. Dass der gebürtige Solothurner das Grossmünster für seine expressiv aufgeladene Bildschöpfung auserkoren hat, hängt mit seinem Arbeitsort zusammen. Nach Aufenthalten in Paris und München, die ihn mit dem Kubismus und Futurismus vertraut machten, zog Morach mit 32 Jahren nach Zürich, wo er auch eine Lehrtätigkeit an der dortigen Kunstgewerbeschule ausübte.
Grosse Anerkennung wurde ihm als Gestalter von modernen Werbeplakaten zuteil. Für das Taxiunternehmen Welti-Furrer entwarf er ein Plakat, das die dynamische Komposition dieses Zürcher Stadtbildes vorwegnimmt. In der späteren künstlerischen Umformulierung des Themas weichen die Taxi Limousinen auf den Brücken einem Blumenstillleben im Vordergrund sowie den hochaufragenden Segelschiffen im Hintergrund. Das vormals technisch-rational anmutende Werbeplakat erhielt durch die transparenten, sich kontrastierenden Farben eine märchenhafte, geheimnisvolle Aura. Das innere Leuchten und die Vielschichtigkeit des Bildes entspricht dem scheuen Wesen des Künstlers, das selbst für seine Freunde stets unergründlich geblieben ist.
(Quelle: Katalog ‚Innovation und Tradition‘, Bern 2001)
Otto Morach wurde 1887 in Hubersdorf (CHE) geboren; er starb 1973 in Zürich (CHE).
Tätigkeitsbereich: Malerei, Zeichnung, Grafik