Die Liechtensteiner Bildhauerin Hanna Roeckle ist bekannt für ihre mit Autolack überzogenen Polyeder, die auf verführerische Weise Skulptur, Malerei und Design zusammenführen. Grosse Beachtung über die Grenzen Liechtensteins und der Schweiz hinaus fand sie zuletzt mit einer Plastik aus ihrer Werkgruppe Aquarius, die 2016 im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag enthüllt wurde.
Aufgewachsen in Vaduz, unterrichtete Roeckle nach ihrer Ausbildung an der Zürcher Kunstgewerbeschule ab 1975 zunächst als Zeichenlehrerin, arbeitete nebenher aber bereits als freischaffende Künstlerin. In den frühen 1980er-Jahren malte sie, inspiriert von Stadt- und Industrielandschaften, expressive Innenbilder, die um Fragen der Übersetzung von Wahrnehmung in Emotion kreisten. Später fokussierte ihre ungegenständliche Malerei zunehmend auf ein komplexes Wechselspiel von Figur und Grund, Körper und Raum, Transparenz und Opazität. Mit der Entscheidung, ganz als freischaffende Künstlerin zu arbeiten, wandte sich Roeckle 1994 zudem der Bildhauerei zu. Sie schuf Hybride zwischen Bild und Objekt und rückte ihre Malerei damit konsequent in ein System räumlicher Bezüge. Ab den 2000er-Jahren entstanden erste Bilderserien mit Autolack auf Laminat sowie Malereiinstallationen aus regalartigen Displays für präzise arrangierte, wechselnde Ordnungen von Bildobjekten. In jüngerer Zeit entwirft Roeckle diese dreidimensionalen Arbeiten nach einem der Mineralogie entlehnten System modularer geometrischer Formen. Mal stapelt sie diese vertikal und in Serie in die Höhe – durchaus mit Blick auf Constantin Brancusis Endless Columns (begonnen 1918) –, mal fügt sie sie zu kettenartigen Kristallstrukturen an der Wand oder stellt sie einzeln – wie in Den Haag – als attraktiv schimmernde Monolithe auf Bodenplatten. Eine dieser aus sechs gekappten Rhombenflächen konstruierten Plastiken der Gruppe Aquarius (2016/2018) befindet sich in der Sammlung der Mobiliar. Die kristalline Form des für den Aussenraum entwickelten Objekts aus glasfaserverstärktem Kunststoff und die je nach Lichteinfall zwischen Blau, Violett und Rot changierenden Lackoberflächen verleihen Roeckles Arbeit den Charakter eines seltsam fremdartigen Bildkörpers, der sich als Synthese von Fläche und Raum einerseits, Natur und Technik andererseits entziffern lässt.
Hanna Roeckle steht mit ihren modularen Bild- und Objektserien in der Tradition der konkret-konstruktiven Kunst und gehört in der Schweiz gegenwärtig zu ihren prominentesten Vertreterinnen.
Hanna Roeckle, 1950 in Vaduz (LIE) geboren, lebt und arbeitet in Zürich (CHE) und Vaduz (LIE).
Tätigkeitsbereiche: Malerei, Objekte, Installation, Zeichnung