Wenn Giacomo Santiago Rogado zu Pinsel, Farbe und Leinwand greift, dann geht es ihm nicht darum, etwas darzustellen, sondern um eine grundsätzliche Erkundung der Malerei, ihrer Konzepte, Techniken und Wirkungen. Entsprechend gross ist die Bandbreite seines Schaffens.
Aufgewachsen in Luzern in einem italienisch und spanisch geprägten Elternhaus, absolvierte Rogado zunächst eine Schreinerlehre, bevor er an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern studierte. Wie sehr das Handwerkliche seine künstlerische Arbeit von Beginn an prägte, lassen drei frühe Arbeiten Rogados erkennen, die sich in der Sammlung der Mobiliar befinden. Auf den ersten Blick wirken sie kaum wie aus einer Hand. Da ist zum einen das grossformatige Diptychon Puls von 2007, auf dem sich spitzwinklige Dreiecke und Tropfenformen in ausdifferenzierten Farbverläufen zu einem schillernden Streifenraster sortieren, das an Op-Art und Neo-Geo ebenso geschult scheint wie am Textildesign des Bauhauses. Die ebenfalls 2007 entstandene Zeichnung Fühler hingegen wirkt zunächst wie eine Skizze aus einem Kardiologie-Lehrbuch des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich kreist diese Darstellung einer Hand, die den Puls am Handgelenk einer zweiten ertastet, um die in der neuzeitlichen Kunst zentrale Frage, wie sich das Fühlen und die je eigene Materialität des Erfühlten ins Bild setzen lassen. Die geradezu altmeisterlich anmutende Zeichnung führt in ihrer Präzision das Paradoxe dieser Idee vor Augen. Universum 12 von 2008 wiederum erzählt von der Akribie des Malaktes und der Kunst des Loslassens. 40 kreisrunde Punkte in unterschiedlichen Farbtönen hat Rogado dafür in Öl auf die ungrundierte Leinwand gebracht. Was im ersten Moment wie ein ironischer Kommentar auf Damien Hirsts legendäre Spot Paintings aus dem Grenzgebiet zum Design wirkt, erweist sich als fein ausbalancierter Schwebezustand zwischen Ordnung und Chaos, Farbe und Grund, als Bild über das Malen: «Malerei ist ein Denkprozess, der sich an der Oberfläche der Leinwand materialisiert», erklärte Rogado 2014 in einem Interview.
Giacomo Santiago Rogado gehört heute neben Kunstschaffenden wie Christine Streuli und David Renggli zu einer jüngeren Generation Schweizer Malerinnen und Maler, die anknüpfend an konkrete, radikale und analytische Positionen der Malerei ihre eigenen Wege gehen.
Giacomo Santiago Rogado, 1979 in Luzern (CHE) geboren, lebt und arbeitet in Berlin (DEU)
Tätigkeitsbereiche: Malerei, Zeichnung