«Der Gegensatz zwischen Abstraktion und Realität ist meine Grundidee», sagte Franz Gertsch einmal über seine Gemälde und Holzschnitte, die generell dem Fotorealismus zuzurechnen sind. Seine Aussage scheint daher zunächst widersprüchlich, wird aber schlüssig, sobald man Gertschs Werke aus nächster Nähe betrachtet: Dann nämlich lösen sich die Sujets auf in eine Vielzahl kleiner Punkte.
Bekannt wurde Franz Gertsch in den 1970er-Jahren, als er in seinem ganz eigenen fotorealistischen Stil Protagonisten der Berner und Luzerner Kunstszene malte – allen voran den Maler Luciano Castelli. Die schnappschussähnlichen Szenen transportieren den Zeitgeist der Hippiebewegung, und sie faszinieren durch ihre detailgetreue, plastische Anmutung. Davor hatte Gertsch zwischen 1947 und 1952 an der privaten Malschule von Max von Mühlenen und bei Hans Schwarzenbach in Bern Unterricht genommen und in der Folge verschiedene malerische Richtungen erprobt, unter anderem die Pop Art. 1969 fasste er den Entschluss, nur noch naturalistische Bilder im grossen Format zu malen. Als Vorlage dienen ihm seither eigene Fotos, die er auf Leinwand projiziert und in pointillistischer Manier abmalt. Ab 1980 konzentriert sich der Künstler thematisch zunächst auf weibliche Porträts, dann vermehrt auf Landschaftsausschnitte und Pflanzen. Zunehmend gewinnen seine Motive eine erhabene, ruhige, vergeistigte Ausstrahlung. Gesteigert ist diese Aura in den einfarbig nuancierten Holzschnitten, die Gertsch zwischen 1986 und 1994 ausschliesslich und seither parallel zur Malerei herstellt. Sein ganzes Schaffen befragt die Mechanismen der Wahrnehmung und das Verhältnis von Realität und Abbild.
Franz Gertsch gehört zu den international bekanntesten Schweizer Gegenwartskünstlern. Er war dreimal auf der Biennale von Venedig präsent und Teilnehmer der legendären documenta 5, die Harald Szeemann 1972 kuratierte. Seit 2002 besteht das weitgehend privat finanzierte, von dem Unternehmer Willy Michel initiierte Museum Franz Gertsch in Burgdorf.
Franz Gertsch, 1930 geboren in Mörigen am Bielersee (CH) und in Rüschegg (CH) 2023 verstorben.
Tätigkeitsbereiche: Malerei, Holzschnitt