Dieter Roth war ein Universalkünstler von überbordendem Schaffensdrang, der mit Myriaden von Materialien und Methoden ein eindrückliches Gesamtwerk schuf. Es ist bestimmt durch die Dialektik von Kreation und Destruktion, von Plan und Zufall, Gegenwartsbezug und Vergänglichkeit.
Nach der Beschäftigung mit kinetischen Bildern und der experimentellen Gestaltung von Büchern wurde Roth ab den 1960er-Jahren bekannt mit Werken aus kunstfernen Materialien wie Schokolade, Käse, Zucker oder Vogelfutter. Indem er sie zwischen Glasscheiben presste oder zu Skulpturen formte, thematisierte er Prozesse von Wandel und Vergehen. Daneben interessierte ihn aber immer auch die Vervielfältigung und Variation seiner künstlerischen Konzepte. Davon legt auch sein äusserst variationsreiches druckgrafisches Werk mit über 500 Arbeiten Zeugnis ab. Es nimmt einen wichtigen Stellenwert innerhalb seines Œuvres ein. Die Werkgruppen Gleichgewicht, Sicherheit, Aktion und Gegenseitigkeit aus dem Jahr 1978 zeigen wilde, spontane zeichnerische Gesten, die der Künstler auf einer Mattfilmfolie mittels Stift, Feder, Skalpell, Spachtel und Pinsel auftrug. Durch das Umdruckverfahren, während dem die Zeichnungen vom Papier auf die Druckplatte übertragen werden, und durch abermaliges Übermalen und Umarbeiten direkt auf der Druckplatte ergeben sie Mehrfachüberlagerungen in überraschenden Farbvariationen. Der Betrachter verliert sich in einer expressiven Welt, und während er meint, dinglich Fassbares zu erkennen, verwischen sich die Spuren immer wieder, bis letztlich nur eine gequetschte Kugel- oder Eiform als scheinbarer Ausgangspunkt der Zeichnung zurückbleibt. Die Lithografien offenbaren den prozesshaft-experimentellen Charakter, der Dieter Roths gesamtem Werk innewohnt, und sie erlauben einen Einblick in das fast manisch-kreative Schaffen des Künstlers, aber auch in die gestalterischen Möglichkeiten der Lithografien.
Roth lebte unter anderem in den USA, in Island, Dänemark und Österreich. Er nahm 1968 und 1977 an der documenta in Kassel teil und war dort 2002 posthum mit Werken vertreten. 1982 gestaltete er den Schweizer Pavillon an der Biennale von Venedig.
Dieter Roth wurde 1930 in Hannover (D) geboren und starb 1998 in Basel (CH).
Tätigkeitsbereiche: Malerei, Zeichnung, Grafik, Installation, Plastik, Design, Texte, Musik, Film