Wiederkehrende Bildthemen wie Blumenstillleben, Garten- und Obsterntebilder spiegeln nicht nur die innige Naturverbundenheit Cuno Amiets, sondern zeugen von seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit den technischen Möglichkeiten der Malerei. Zum charakteristischen Ausdrucksmittel wird dabei die Farbe, ihre Spielarten in Form von Kalt-Warm- oder Hell-Dunkel-Kontrasten sowie der Farbauftrag in einer sichtbaren, strukturierenden Pinselschrift.
Auch das Blumenstilleben von 1954 teilt sich ganz durch ein lebendiges, pointiert eingesetztes Farbvokabular mit, aus dem Amiet eine moderne, aber immer der Gegenständlichkeit verpflichtete Bildsprache entwickelt hat. Nur skizzenhaft sind die verschiedenen Blumen angedeutet, während sich die restlichen Konturen aufzulösen beginnen und teppichartig mit der Umgebung verwoben sind. Gegenüber den meisten Blumenbildern des Frühwerks, deren expressive Farbigkeit und dunkel rahmende Linien zu radikalen Bildlösungen geführt haben, bleibt im kleinformatigen Blumenstillleben ein Hauch von Intimität und Zartheit der traditionellen Stillebenmalerei spürbar. Noch im hohen Alter hat Cuno Amiet an seinen Bildern gearbeitet. Das Blumenstilleben malte er im Alter von 86 Jahren; es vereint in unprätentiöser Weise gesammelte Erfahrungen eines reichen Malerlebens. Die gleichlaufenden Pinselstriche und der spontane Farbauftrag erinnern an Vorbilder wie van Gogh oder Gauguin. Letzterem begegnete er in jungen Jahren in Pont-Aven.
Auch andere Künstlerbekanntschaften, u. a. mit Ferdinand Hodler, oder Amiets zeitweilige Mitgliedschaft an der deutschen Künstlergruppe "Die Brücke" wirkten sich nachhaltig auf sein Werk aus. Entsprechend der Verarbeitung solch avantgardistischer Malerei aus Frankreich und aus Deutschland gehört Cuno Amiet mit Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti zu den Wegbereitern der Moderne in der Schweiz. Diese Bedeutung wird ihm freilich nur für sein frühes und reifes Werk, genauer bis in die Zeit der 30er Jahre, zuteil. Das Spätwerk ist erst posthum gewürdigt worden. Am Ende seines Lebens – er verstarb mit 93 Jahren – als Action-Painting und andere neue Tendenzen das Kunstgeschehen dominierten, schien Amiet nahezu in Vergessenheit geraten zu sein; der Mythos vom "Malerfürsten" auf der gastlichen Oschwand war verblasst.
(Quelle: Katalog ‚Innovation und Tradition‘, Bern 2001)
Cuno Amiet wurde 1868 in Solothurn (CHE) geboren; er starb 1961 in Oschwand (CHE).
Tätigkeitsbereiche: Malerei, Zeichnung, Grafik, Plastik
«Wer ein Maler ist, schaut von vorneherein nicht mit den Augen nur, gleich bezieht er auch das Mittel ein, mit dem er das Geschaute wiedergeben will.» Cuno Amiet, 1948